"Babak
Saeds Heimat-Begriff geht aus dem Dialog hervor. Als Künstler geht
er eine besondere Zwiesprache mit dem ihm umgebenden Fremden ein,
indem er dessen Sprache wählt, sie spricht und in einer besonderen
Manipulation und Verfremdung antwortet. Sprache ist für den Künstler
das Medium, das die kulturelle Identität eines Landes konstituiert
und genau an diesen Nukleus einer nationalen Selbstverständigung
knüpft sich sein künstlerisches Interesse. Saeds Medium ist die
deutsche Sprache, die Sprache seines Gastlandes, die er im Alter
von 14 Jahren neu erlernt hat. Durch wenige, auf nur drei strukturellen
Veränderungen basierende Abweichungen vom grammatikalisch einwandfreien
Deutsch erreicht er eine besondere Beachtung und Aufmerksamkeit
für sein Werk. Babak Saed hat eine Art Hybridsprache entwickelt:
WORT-AN-WORT. Aus drei Bedingungen konstituiert sie sich: Versalien,
keine Interpunktion, keine Zwischenräume. Allein durch diese wenigen
Änderungen der deutschen Sprache schafft er eine neue Aufmerksamkeit
für das Geschriebene, das wir entziffern wollen.
Auf einer konkaven Wand steht inmitten der antiken Figuren in Saeds
WORT-AN-WORT-Sprache die Frage: KENNENSIEMICHGENAUVERSTEHEN. Ein
Farbklecks wie von Farbbeutel überziehen die Buchstaben und deuten
auf ein Aggressionspotential hin. Gewalt aber kommt auf, wo die
verbale Verständigung keine Chance mehr hat.
Die Gipsgötter und -Göttinnen links und rechts neben der Schriftwand
tragen rote Clownsnasen: keiner ist es gewesen. Eine stumme, anonyme
Versammlung, die keineswegs zu erkennen gibt, ob sie je genau verstanden
hat.
Am Tag der Eröffnung ließ Saed für zwei Stunden ein Flugzeug über
die Städte Köln und Bonn kreisen, das ein Schriftband hinter sich
her wehen ließ: GEHDOCHDAHINWOICHHERKOMME,
war in Saeds Eigendeutsch darauf zu lesen.
Der Imperativ ist eine Umkehr des stereotypischen Satzes, den Fremde
hierzulande immer noch häufig zu hören bekommen, sobald sie anecken:
"Geh doch dahin, wo du herkommst!" Eine Videoaufzeichnung dieser
Flugzeugaktion ist in der Ausstellung über Monitor präsent.
Sprache und Sprechen sind für den Künstler aus dem Nordosten des
Iran bewußte, rationale Akte. Indem er spricht, teilt er sein Anliegen
mit. Doch in einer künstlerischen Verfremdung setzt er der vertrauten
Sprache eine Kunstsprache entgegen, eine spielerische Alternative,
die auch als Befreiung von starren Regeln empfunden werden kann."
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