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25.03.2009
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Kultur See

Dicht an dicht gesetzte Buchstaben

Sein Thema ist die Kommunikation und er sorgt gleich zu Anfang für Irritationen: Babak Saed (1965*) aus Bonn. Die Galerie Geiger zeigt neueste Arbeiten.

Um Babak Saeds Textkreationen lesen zu können, müssen sich ihre Betrachter Zeit nehmen.
Foto: Schwitzler

Gleich zu Anfang sorgt Babak Saed aus Bonn für Irritationen: Wie soll man einen Satz begreifen, der bekanntlich aus mehreren Einzelworten besteht, an die Wand der Konstanzer Galerie Geiger gebracht, sich dort allerdings wie ein Wort liest? Wie zum Beispiel jene Stickerei auf Stoff, die gegenüber der Eingangstür am Kopfende des Galerieraumes in bunten Lettern prangt: „GEDULDISTEINETUGEND“. Als ein „Einwortsatz“? Optisch mag das zutreffen, inhaltlich stimmt das jedoch nicht. Statt dessen also ein „Mehrwortsatz“!? Diese Alternative ist denkbar, aber wenig hilfreich. Weil fast schon wieder zu selbstverständlich. Denn in der Regel besteht ein ordentlicher Satz nun einmal aus mehreren Wörtern, von so genannten tumben Appellsätzen wie „Stillgestanden“ oder „Rührt euch“ einmal abgesehen.

„GEHORCHEKEINEM“, „WASISTSCHONWICHTIG“: erscheint es notwendig, diese und andere dreidimensionalen, aus gelasertem, farbigen Acrylglas oder auf Stoff gestickten Wortzusammenführungen begrifflich zu kategorisieren? Sollte man diesen offensichtlich eigenwilligen Wortschöpfungen – und mehr noch: ihrer handwerklichen Ausführung – nicht viel mehr sehenden und wachen Auges begegnen und sie zunächst einfach nur als das annehmen, was sie sind: eine künstlerische Artikulation an der Wand, keine Malerei, keine Grafik, nicht als Fotografie, dagegen Skulptur, Text insbesondere?

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Babak Saed sieht sich selbst als Konzeptkünstler, der mit dem Medium Sprache arbeitet. Dieses setzt er in Installationen im öffentlichen Raum, Kunst am Bau, in Video- und Audioarbeiten sowie in Wandarbeiten um. 1965 in Maschad im Iran geboren, Diplom in Volkswirtschaft, wohnhaft in Bonn, beginnt er 1998 mit ersten Installationen im öffentlichen Raum. „In meinem Werk formuliere ich im Grunde immer wieder das Gleiche – dieses aber auf immer wieder neue Weise“, sagt Saed. Als sein Markenzeichen gewissermaßen zueigen gemacht hat er sich dabei seit rund zehn Jahren genau diese Form der Textskulpturen, wie sie in der Galerie Geiger zu sehen sind. Seine textskulpturalen und gestickten Wortschöpfungen charakterisiert er als eine „WORT-AN-WORT-Sprache“; sie gleiche einer Hybridsprache, die man zwar verstehe, die aber doch unverständlich bleibe. Durch die kontinuierlich unterschrittene Laufweite der Buchstaben und ohne Leerzeichen und Zeichensetzung sperren sich seine Schriftzüge gegen eine schnelle Lesart und Verfügbarkeit. „BEREUNICHTS“, „LEBELUSTVOLL“, „DEINESPRACHEISTDUNKEL“ – nicht nur inhaltlich formulieren Saeds Kurztexte einen Widerstand. Auch formal wenden sie sich gegen Konventionen und tragen zum Hinterfragen des eigenen Standpunkts und Perspektive bei.

Der Mensch ist im Allgemeinen neugierig und möchte gerne verstehen, was er sieht. Genau das machen sich die Textkreationen von Babak Saed zunutze. Um sie lesen zu können, nehmen sich ihre Betrachter Zeit. Anders geht es nicht. Und so erfolgt eine Entzifferung Zeichen für Zeichen; übrigens wohnt dem so durchaus ein Spielcharakter inne. Doch das bedeutet auch, dass sie, die Betrachter, aktiv oder passiv Widerstand leisten gegen das pseudoökonomische Diktat einer schnelllebigen Zeit, in der Langsamkeit und Entschleunigung noch immer wirtschaftliche Minusfaktoren darstellen. Das Besondere an Saeds Kunstschaffen ist, dass seine Artikulation universal ist. Sie bedient sich eines Mediums, dem (mündlichen oder) geschriebenen Wort, das grundsätzlich von jedem Betrachter, der lesen kann, auch verstanden werden kann. Obwohl konzeptuell ausgerichtet, ist sein Kunstschaffen so dennoch leicht zugänglich.

Darüber hinaus benötigen die meisten seiner bislang geschaffenen Textskulpturen als einzelnes Objekt relativ wenig Eigenfläche und können sich auch schwierigen Raumsituationen anpassen. Anders als geläufige Artikulationen der Malerei, Fotografie oder Bildhauerei kommen Saeds Textwerke leichtfüßig und behände daher, die ihrem räumlichen Umfeld keine besonderen Bedingungen und Voraussetzungen abverlangen. Statt dessen funktionieren sie nahezu in jeder Ausgangssituation und eignen sich daher insbesondere als installative Bespielung des öffentlichen und halböffentlichen Raums an vielen denkbaren Orten. Allein das ist schon ein Kunstgriff.

Joachim Schwitzler

Bis 22. April 2009. Öffnungszeiten: Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 12–18 Uhr.

Weitere Infos:

www.galerie-geiger.de

www.babak-saed.de

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