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GEHORCHEKEINEM
Kunst am Bau - 2009
Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB)
Bauherr/Auftraggeber: Land Nordrhein-Westfalen / Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen
Material: LED, Rot leuchtend
Maße: 200 x 2800 x 12 cm

Eröffnung: Prof. Ursula Nelles, Rektorin Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Dr. Erich Franz, stv. Direktor Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster; Dr. Beate Tröger, Direktorin ULB Münster; Dipl.-Ing. Jörg Preckel, Geschäftsführer PFEIFFER-ELLERMANN-PRECKEL GmbH

Auszug aus der Eröffnungsrede von Dr. Erich Franz, stv. Direktor Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster:

"Der Satz, das Konzept ist keine Aussage, sondern eine Anweisung, ein Befehl. Und doch ist es keine übliche sprachliche Mitteilung, etwa wie "nicht überholen" oder "Du sollst nicht töten". Beim Lesen und bei der Sinnerfassung spielen die Größe der Buchstabe, ihre plastische Massivität und ihre rote Farbe eine wichtige Rolle. Man kann nicht darüber hinwegsehen; der Satz besetzt optisch die Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, dass die Schrift so groß ist, dass sie nicht nur als Zusatz zu dem Gebäude wirkt, als Markierung, sondern dass sie als Gebilde nach vorne tritt. Es ist auch wichtig, dass man von der einen Seite her zuerst nur das Wort GEHORCHE liest und danach erst, wenn man um die Ecke biegt, die Anweisung sich in ihr Gegenteil wendet. Und es ist weiter wichtig, dass man die Arbeit, die Vorstellung, die sie auslöst, mit der Universitätsbibliothek verbindet - und dies nicht nur mit dem gläsernen Gebäudeteil, sondern dem gesamten Komplex. All das sind optische Elemente, die beim Erfassen des Werkes mitspielen.

D
iese visuelle Wirkung bedarf keiner Erklärung, sie ist einfach da - durch die Größe, die Farbe usw. Wegen der visuellen Präsenz und Gestalt zeigt dieser Schriftzug sich selbst, er weist nicht auf einen Urheber und erfordert nicht eine Handlung, sondern er erzeugt eine Vorstellung. Diese Vorstellung besteht in einem inneren Umgang mit dem Konzept, in der gedanklichen und sinnlichen Auseinandersetzung mit dem Satz, mit der Größe und Farbe der Buchstaben und ihrem Eindruck an der Gebäudewand.

Die Vorstellung wird eine andere sein, wenn man dem Schriftzug zum ersten Mal begegnet, als wenn man ihn schon kennt und sich bereits unwillkürlich seine Gedanken gemacht hat. So ist die Vorstellung jedenfalls keine einfache Bestätigung, das Werk lässt sich nicht rundweg ausführen. Darin liegt übrigens eine besondere Qualität der visuellen Sätze von Babak Saed, dass sie keine glatte Ausführung ermöglichen, sondern eine gedankliche Arbeit auslösen; man geht die Aussage wieder und wieder durch. Man widerspricht auch der Einfachheit dieser Aussage; man fragt nach ihrem Autor und spürt das Fehlen der Autorität. Manche werden auch einen Widerspruch zur eigenen Einstellung spüren, etwa wenn man das Gehorchen in irgendeiner Form als notwendig und unumgänglich auffasst. Andere werden sich in ihrer Aufmüpfigkeit bestätigt fühlen, vielleicht gerade dann aber die massive Größe des visuellen Auftritts ablehnen, die vielleicht auch etwas Einschüchterndes hat, weil sie so unübersehbar sich aufdrängt. Man wird vielleicht auch den Widerspruch bemerken, dass die Aufforderung zum Ungehorsam selbst in der Form eines Befehls auftritt. Viele werden sich auch Gedanken machen, dass man als Student und als Wissenschaftler in dieser Bibliothek vielfältige Formen des Gehorchens praktiziert; man überlegt sich, ob das Befolgen von Prüfungsordnungen oder von geistiger Disziplin ein Gehorchen bedeutet.

Das Konzept des Kunstwerkes ist darauf ausgerichtet, Vorstellungen bei jedem einzelnen Betrachter auszulösen, der darüber nachdenkt, der sich darüber ärgert, der sich bestätigt oder irritiert fühlt. Das Kunstwerk besteht in der Art, wie alle Betrachter diesen großen roten Satz GEHORCHEKEINEM ganz persönlich realisieren. Das Werk ist kein starres und materielles Gebilde, sondern - und daher passt es so hervorragend an eine Bibliothek - es ist ein innerer, geistig-sinnlicher Prozess: Es ist das, was es bewirkt."

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"Lehrende und Studierende mit Wissen zu versorgen, gehört zu den Hauptaufgaben einer Universitäts- und Landesbibliothek. Aber auch die Förderung der Information- und Medienkompetenz, d. h. die Fähigkeit der kritischen Nutzung von Informationen sollte zum Handwerkszeug junger Menschen gehören. Es gilt, die Offenheit und die Fähigkeit zu besitzen, den Blickwinkel zu ändern, einmal erlernte Regeln in Frage zu stellen und durch deren Bruch Neues entstehen zu lassen."
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